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Mittwoch, 12. August 2015

Wohin in der Pentateuchforschung?

Wie lesen wir die Texte des Alten Testaments? Mit welcher exegetischen Prämisse gehen wir an den Text heran? In den theologischen Fakultäten und Universitäten ist die historisch-kritische Methode seit langem wissenschaftlicher Standard. Besonders in der Pentateuchforschung ist u.a. durch J. Wellhausen, H. Gunkel, A. Alt und vielen anderen Theologen die Entstehungsgeschichte des Alten Testaments und die Religionsgeschichte Israels zur wesentlichen Disziplin geworden. Man beschäftigt sich mit der Herkunft der Texte, sowie ihrem "Sitz im Leben" in der Geschichte und Kultur Israels. Man versucht die einzelnen voneinander getrennten Textabschnitte zu identifizieren und den Quellen zuzuordnen. Aber in wie weit hat diese Methode für das Verständnis des Alten Testaments beigetragen? Hat diese Forschungsmethode für die Laien und deren Praxis die Texte relevant machen können? Thomas Römer schreibt in seinem Artikel Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen: Zum Stand der Pentateuchforschung (Erschienen in der ZAW 125 (2013): 2-24): "Hingegen ist der aktuelle Stand der Pentateuchforschung für Laien nur sehr schwierig und bedingt verständlich zu machen." (Römer 2013:3). 



Keine Frage, viele Erkenntnisse sind aus diesen Forschungen hervorgegangen, aber zurecht betont E. Zenger, dass der Graben zwischen wissenschaftlicher Arbeit der Theologischen Fakultäten und der Praxis überwunden werden muss. Denn das Auslegen der Biblischen Texte ist in andere Fachbereich der Theologie ausgewandert (Zenger 1982:355). Ohne weiter auf die Geschichte der Pentateuchforschung einzugehen, ihren Anfang, ihre Entwicklung, die verschiedenen Hypothesen (Urkunden-, Fragmenten- und Ergänzungshypothese) und unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Verteilung des Stoffen auf die Quellen darzustellen, soll vielmehr auf die heutige Herausforderung verwiesen sein. Thomas Römer schriebt: 
Es entsteht schnell der Eindruck eines wissenschaftlichen Chaos, in welchem unterschiedliche Prämissen, Methoden und literargeschichtliche Rekonstruktionen aufeinanderprallen, sodass die Frage nach einem neuen Konsens weiterhin negativ beantwortet werden muss.  RÖMER 2013:3
Es ist nicht verwunderlich, dass "kritische" Forscher die Theorie von J. Wellhausen verlassen und in Bezug auf die Textinterpretation völlig andere Wege gehen (Zenger 1982:254). Anstatt einen analytischen Ansatz anzuwenden ist in der Literaturwissenschaft mehr ein holistischer Ansatz zur Grundlage gemacht worden. J. Pedersen hat versucht darauf hinzuweisen, dass die hebräische Art und Weise "Geschichte zu Erzählen" ("Telling Stories") eine andere ist wie die unsere und deshalb in der Erforschung der Texte berücksichtigt werden muss. Mit R. Rendtorff, B. Childs, R. Alter und G. Fischer wurden seit den 70 `er Jahren der Fokus auf die vorliegende  Endgestalt gelegt. Der Text wie er uns vorliegt, wird als Ausgangspunkt der Textinterpretation gemacht (1938 hat G. von Rad darauf hingewiesen, dass bis dato die `Letztgestalt` nicht zum Ausgangspunkt gemacht wurde). Shimon Bar- Efrat hat auf die Besonderheiten von Erzählungen hingewiesen und dies in seinem philologisch-narratologischen Kommentar konsequent auf das Samuelbuch angewandt. Es gibt viele Beispiele von exegetischen Kommentaren, die auf dem literaturwissenschaftlichen Paradigma versuchen die Texte auszulegen und für die heutige Gegenwart anzuwenden. So versucht z.B. Utzschneider und Oswald in ihrem Kommentar zu Exodus 1-15 die Verbindung zwischen einer diachronen und synchronen Exegese herzustellen. G. Fischer und D. Markle gehen in ihrem Kommentar ebenfalls von dem Endtext aus. Zudem gibt es weitere Studien die sich mit dem Aufbau der Texte und ihrer Struktur auseinandersetzen. So sind konzentrische Strukturen (wie u.a. im Buch Ruth und Esther) ein wichtiger Hinweis auf die Intension des vorliegenden Buches. Anstatt also biblische Texte in kleinste Abschnitte zu zerteilen wird neuerdings wieder auf die vorliegende Gestalt verwiesen. Wenn wir ehrlich sind, hat die bisherige Erforschung des Pentateuchs keine wirklich zufrieden stellenden Antworten gefunden. Es scheint so als würde eine Theorie die andere jagen und mit immer wieder neuen Thesen versucht die Jagt aufrechtzuerhalten.

Ich denke, dass die Literaturwissenschaft (u.a. synchrone Lesart, philologisch-narratologische und kanonische Studien) ein wichtiger Schritt ist, um einen Ausweg aus dem wissenschaftlichen Chaos zu finden und um die Texte des Pentateuchs in Beziehung zur gegenwärtigen Realität zu setzen. 



Quellen (u.a.):

Zenger, Erich 1982. Auf der Suche nach einem Weg aus der Pentateuchkrise. In: Theologische Revue (78). Münster: Aschendorfsche.
Römer, Thomas 2013. Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen: Zum Stand der Pentateuchforschung. In: ZAW (125). 
Houtman, Cees 1994. Der Pentateuch: Die Geschichte seiner Erforschung neben einer Auswertung. Kampen: Pharos.
Pedersen, Johs. [1926] 1959. Israel: Its Life and Culture I-II. London: Oxford University. 
Pedersen, Johs. [1940] 1959. Israel: Its Life and Culture III-IV. London: Oxford University. 

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