city

city

Mittwoch, 18. Februar 2015

Nehemia 5 für christliche Leiter

Vor einiger Zeit habe ich angefangen das Buch Nehemia zu lesen. Seit dem beschäftigt mich diese sehr inspirierende und starke Erzählung des Alten Testaments. Nehemia leidet unter der Tatsache, dass die Stadtmauer Jerusalems noch nicht wiedererrichtet wurde (Neh. 1,4) und er macht es sich zur Aufgabe mit dem Volk die Mauer wieder aufzubauen (2,17).
Christliche Leiter engagieren sich darin das Reich Gottes in den unterschiedlichsten Bereichen zu bauen. Ob in der Gemeinde oder in anderen Organisationen. Es ist ihr Anliegen, dass der christliche Glaube Gestalt bekommt und Einfluss in unsere Kultur gewinnt, besonders in Zeiten wo die Kirche nicht mehr das zu sein scheint was sie mal war. Es ist ermutigend zu sehen, dass es Leiter gibt die dies erkennen und mit Herzblut sich in Gemeinden und Organisationen engagieren. Leiterschaft hat daher eine wichtige Funktion, in der man aber auch ganz schnell in eine Schieflage geraten kann. Daher können wir viel von dem Vorbild Nehemias lernen.

Das Geschrei der Menschen über die Ungerechtigkeit
Der Schwerpunkt dieses Posts ist das Kapitel 5 der vorliegenden Erzählung. Es berichtet davon, dass sich innerhalb des jüdischen Volkes "Ungerechtigkeit" breit gemacht hat. Einige der jüdischen Bürger mussten ihre Kinder an andere verpfänden, um Nahrung kaufen zu können (5,2), andere mussten Geld aufnehmen um ihre Steuern für den König zahlen zu können (5,4) und ihnen waren die Hände gebunden: "(...) und wir können nichts dagegen tun (...)" (5,5). Auffällig ist in Vers 6 die Formulierung "Als ich aber ihr Schreien (...) hörte". Die Ähnlichkeit zu Ex 3,7 ist gegeben: "Ich habe das Elend meines Volkes (...) und ihr Geschrei gehört". An beiden stellen befindet sich das selbe hebräische Wort (אֶת־זַֽעֲקָתָ֔ם).  Beide Texte berichten von ungerechten Zuständen in ihrer Situationen so dass im Leser die Erwartung für eine Wendung geweckt wird. Walter Brueggemann schreibt:
"The grieving of Israel (...) is the beginning of criticism."  BRUEGGEMANN 2001:12
So auch hier in diesem Text. Das Schreien der jüdischen Bürger ruft die Erwartung eines Wandels im Leser hervor und bestimmt den weiteren Verlauf des Textes, der darauf nun eine Antwort zu geben versucht.

Frage: Nehmen wir als Leiter die Ungerechtigkeit (auch in unseren eigenen Gemeinden und Organisationen) wahr?

Nehemia geht in sich
Leiter haben ihre eigene Geschichte und Prägung. Leiter sollten nicht nach eigenem Ermessen Entscheidungen fällen, sondern sie nach dem Willen Gottes treffen. Nehemia ist ein Vorbild, weil er gründlich bei sich selbst über die Situation nachdachte (5,7. "Und ich hielt Rat mit mir selbst"). Das Herz ist in der Bibel der Sitz von Zuneigung und Leidenschaft, Weisheit und Verstand. So wird von Salomo berichtet, dass er "(...) ein weises und verständiges Herz (...)" bekam. Der Psalmist betet: "Prüfe mich, HERR, und erprobe mich, erforsche meine Nieren und mein Herz." (Ps 26,2; vgl 86,11) Das Herz ist der Sitz weiser Entscheidungen, die nicht nach menschlichen subjektiven Meinungen getroffen werden, sondern aus einer tiefen Gottesbeziehung und Gottesfurcht (vgl. Neh 5,15) heraus entstehen. Der daraus folgende Satz bringt für den Leser die Entscheidende Wendung. Nehemia setzt sich für die Gerechtigkeit ein und stellt die "Vornehmen" und "Ratsherren" zur Rede.

Frage: Wir brauchen als Leiter das Bewusstsein, bei Herausforderungen in uns zu gehen um weise Entscheidungen zu treffen. Haben wir den Mut den Willen Gottes zu tun, wenn wir fühlen es ist das Richtige?

Nehemia`s Kontrastmodell: Ein alternativer Führungsstil
Der für mich erstaunlichste Teil dieser Erzählung ist, wie Nehemia selbst seine Statthalterschaft lebt. In V.14 steht, dass er auf seine Einkünfte als Statthalter verzichtete und zwar nicht nur aus Solidarität. Er demonstrierte, aus der Furcht Gottes heraus, eine Alternative zu dem, was das Volk zuvor unter den anderen Statthaltern erlebt hatte (V.15):
"Denn die früheren Statthalter, die vor mir gewesen waren, hatten das Volk belastet und hatten für Brot und Wein täglich vierzig Silberstücke von ihnen genommen; auch ihre Leute waren gewalttätig mit dem Volk umgegangen."
Weiter lesen wir von Nehemia, dass er selbst an der Mauer mitarbeitete ohne die Einkünfte eines Statthalters zu verlangen, denn "(...) der Dienst lag schon schwer genug auf dem Volk." (V.18)
Ein Leiter leitet nicht um seiner selbst willen, sondern zum Wohl des Volkes und zur Ehre Gottes. Bei Leiterschaft geht es nicht um Macht, Reichtum oder eigener Ehre. Bei Leiterschaft geht es um Dienst, Nächstenliebe, Opferbereitschaft und der Entäußerung seiner selbst (vgl. Phil 2). Jesus sagt:
"Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener." (Lukas 22,25)
Leiter fragen nicht danach, was ihnen dient oder was ihnen zusteht (dies gilt auf für materielle und finanzielle Belange)! Leiter suchen und fragen nach den Situationen in denen sie Diener sein können, zum Wohl derer denen sie vorstehen und zum Bau des Reiches Gottes.

Frage: Denke über Bereiche deines Lebens nach. Für welche Bereiche deines Lebens ist das Beispiel Nehemias eine Herausforderung?

Transformation ohne Gegenmodell???
Missstände gab es immer wieder in der Geschichte und beim Volk Israel selbst. Die Erzählung beschreibt, wie Missstände im Volk Israel kritisiert und verändert werden. In dieser Erzählung sind biblische Parallelen erkennbar, u.a. zur Exoduserzählung. Nach dem Exodus schafft Gott neue Ordnungen für sein Volk und ruft es als eine alternative Gemeinschaft (Kontrastgesellschaft) zusammen (wo keine Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung herrschen soll) und erinnert sie daran, dass sie anders leben sollen als die umliegenden Mächte: "Ihr sollt nicht tun nach der Weise des Landes Ägypten." (Lev 18,3).
In einer Welt, wo Hierarchie, Macht und Materialismus vorherrschend sind und dies meist auf Kosten anderer (meistens Schwächere) geht, sind christliche Leiter dazu aufgerufen anders zu leben,- anders zu leiten. Es ist ein sich absagen von Macht, Positionen, Ruhm und extremen Materialismus. Wer von Jesus gerufen wurde: "Komm, folge mir nach!" ist aufgerufen von Jesus zu lernen, der uns ein Beispiel gab Leiterschaft in dieser Welt neu zu buchstabieren um auf diese Weise durch ein alternatives Leiterschaftsmodell unser Umfeld zu verändern (transformieren).

Doch eventuell wird es uns was kosten. Was? Das musst du selbst entscheiden ;-)




Brueggemann, Walter 2001. The Prophetic Imagination. Minneapolis: Fortress.