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Mittwoch, 23. Dezember 2015

Saltatio Mortis: Willkommen in der Weihnachtszeit

Passend zur Weihnachtszeit bin ich auf den Songtext von Saltatio Mortis "Willkommen in der Weihnachtszeit" gestoßen. Macht nachdenklich...

Der Sommer ist noch nicht zu ende, 
es ist so weit, ich raste aus, 
denn an jeder Straßenecke brüllt 
"Hohoho" ein Santa Claus. 
Der Supermarkt gleich um die Ecke 
wirbt mit Weihnachtsgesteck, 
Mit Christbaumkugeln und Lebkuchen, 
Nikoläusen und Gebäck. 
Der Weihnachtsmann trinkt Coca-Cola, 
in der Tat, man glaubt es kaum. 
Wir feiern heut' das Fest der Liebe 
munter unterm Sündenbaum.
Hohoho, ihr lieben Kinder, 
hohoho, es ist so weit. 
Vor uns liegt das Fest der Liebe, 
willkommen in der Weihnachtszeit.
An grüner Tanne hängt der Apfel 
wie dereinst im Paradies, 
eine rote runde Sünde, 
die nicht nur Genuss verhieß. 
Wie feiern Jul und Sonnenwende, 
die Geburt von Gottes Kind, 
doch wirklich wichtig, wissen alle, 
nur die Geschenke sind.
Hohoho, ihr lieben Kinder, 
hohoho, es ist so weit. 
Vor uns liegt das Fest der Liebe, 
willkommen in der Weihnachtszeit. 
Hohoho, ihr lieben Kinder, 
hohoho, es ist so weit. 
Draußen sind noch dreißig Grad, 
doch im Supermarkt ist Weihnachtszeit.
Lustig klingeln froh die Kassen 
und endlich sehe ich den Sinn: 
Weihnachten, das Fest der Liebe 
ist gut für den Gewinn.

Montag, 21. Dezember 2015

Maurice Halbwachs: Wenn wir neu ansetzen müssen! Erinnerung und gegenwärtiges Bewusstsein - Eine Herausforderung für das Christentum!

Maurice Halbwachs (französischer Soziologe und Philosoph) beschreibt in seinem Buch Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen die Bedeutung des Gedächtnis in Bezug auf die Entwicklung einer Gruppe oder Gesellschaft. In einem besonderen Kapitel geht er auch auf Das Kollektivgedächtnis der religiösen Gruppen ein.
Maurice Halbwachs weist berechtigter Weise darauf hin, dass das Bewusstsein der Gegenwart den ersten Christen näher war, als die Erinnerung an die Vergangenheit. Dies war vermutlich auch der Grund, warum sie die damalige Gegenwart in Verbindung mit dem Evangelium zu bringen vermochten, denn "(...) das christliche Gedächtnis fand um sich herum, selbst außerhalb der religiösen Gruppen, eine Menge von Gegenständen, die unaufhörlich seine Erinnerungen wachrief und belebte." (Halbwachs 1985:264). Das darauf folgende und heutige Christentum, ist überwiegend erinnerungsbezogen was in einer Post-christlichen Gesellschaft mehr und mehr zu einem Problem wird. Wie wollen wir die Menschen an was erinnern, wenn ihnen dieses christliche Gedächtnis abhanden gekommen ist, bzw. befremdend erscheint, weil ihnen der Bezugsrahmen fehlt?
Die ersten Christen lebten noch sehr nah an den jüngsten Ereignissen der damaligen Zeit. Alles war sehr frisch und man erwartete, dass Christus bald wieder kommt. Das Evangelium hatte direkt etwas mit ihrem natürlichem Umfeld zu tun, aus denen sie alle kamen. Sie verstanden sich als die eklessia, Gottes Volk und Nachfolger Jesu. Sie waren in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt - lebten aber mit dieser Welt und verstanden sich als Teil dieser Welt und lebten ihre Sendung nach dem Vorbild ihres Gründers in räumlich voneinander getrennten Gemeinschaften. Diese (...)
(...) wundern sich nicht, beunruhigen sich nicht und regen sich nicht drüber auf, daß die Glaubensgehalte von der einen zur anderen Gemeinschaft nicht übereinstimmen und daß der Glaube von heute nicht genau der gleiche wie der von gestern ist. Sie haben genug damit zu tun, die Ungläubigen zu bekehren, und sie suchen viel eher ihren Glauben zu propagieren, als sich mit den anderen christlichen Gemeinschaften ins Einvernehmen zu setzen. Aber verhält es sich nicht ebenso mit dem kollektiven Denken, wenn es mehr auf das Leben als auf die Erinnerung bedacht ist? Wir sind so sehr an die gegenwärtigen Formen der Liturgie und des Dogmas, der Hierarchie und der Kirchenzucht gewöhnt, daß wir einige Mühe haben zu verstehen, wie sehr die christliche Kirche, die sich jetzt so klar von der säkulären Gesellschaft unterscheidet, damals in sie verwoben war, oder vielmehr, wie wenig sie noch von ihr getrennt war, wie viele Vorstellungen von der einen zur anderen umliefen und wie wenig Strenge und Formalismus man in der Praxis der Religion und der verschiedenen Kirchenfunktionen anwandte (...) das Privatleben der Alten war völlig von Religion durchdrungen.  HALBWACHS 1985:263f
Als Gemeinschaften müssen wir diesen in den Anfängen dominierenden "Drive" wiederentdecken und lernen in einer veränderten Gesellschaft zu leben, die Ereignisse unserer Zeit in Verbindung zu setzen mit dem Evangelium und die Mission Gottes dahinter erkennen. Wir müssen Lernende werden und die Offenheit haben die Hände aufzutun, anstatt uns an der Vergangenheit zu klammern und die Erinnerung an Dogmen und Liturgien in unserer Gesellschaft vorauszusetzen.
Licht-Kontrast
Gemeinden müssen inkarnatorischer werden. Das bedeutet nicht nur, sich als Gemeinde nach außen zu bewegen und das Leben mit den Menschen zu teilen und Kirche genau dort zu bauen. Es bedeutet darüber hinaus, und dies ist ein wesentlicher Aspekt des Ganzen, das kulturelle "Spiel" zu kennen und sich darin einzubringen und inkorporierend Teil dessen zu sein was da ist, ohne seine eigene Identität zu verkennen, denn diese beiden Dinge schließen sich nicht unbedingt aus. Die christliche Identität ist eine enorm heilsame und verändernde Kraft in mitten der Gesellschaft und deshalb unabdingbar für das menschliche Zusammenleben. Sie ist damals wie heute eine Kontrastkultur zu der um uns herum dominierenden Kultur (vgl. Halbwachs 1985:267). Wir müssen lernen als Teil dieser Kultur "mitzuspielen", uns einzubringen und mitzugestalten. Wir müssen lernen als solche Mitspieler unser Profil zu kennen und zu leben, um auf diese Weise ein Segen für unsere Stadt zu sein (Jer 29). Wir müssen einfach lernen in einer veränderten Zeit, verändert zu leben ohne gleich Mauern zu ziehen, anstatt Kontroversen auszuhalten. Wir müssen lernen neu dialogfähig zu sein ohne am Ende mit einem klaren Ergebnis da zu stehen. Wir müssen lernen zu warten, offene Dialoge aushalten, Unterschiede ertragen und in all diesen Dingen die souveräne Mission Gottes und seine Herrschaft erkennen. Ich wünsche mir, dass wir als Gemeinschaften, in all unserer Unterschiedlichkeit, darauf bedacht sind der Mission Gottes zu folgen, so dass wir genug damit zu tun haben...die Herrschaft Jesu unter den Menschen anzukündigen und eine alternative vorzuleben, an die man sich auch in Zukunft gerne erinnert!


 Halbwachs, Maurice 1985. Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Berlin: suhrkamp

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Von Gott reden, aber wie?

In der letzten Zeit beschäftige ich mich mit der Thematik was es bedeutet von Gott zu reden. Bei diesem Thema gehen die Meinungen weit auseinander. Auf der einen Seite kenne ich die Ausprägung das Wort "unverfälscht" zu verkündigen, wobei ich mich immer fragte was "unverfälscht" heißt. Wovon geht man hier aus, und was soll genau "unverfälscht" wiedergegeben werden? Der Inhalt? Die Sprache? Die Sprache Luthers? In meinen bisherigen Erfahrungen habe ich festgestellt, dass dies oft sehr subjektiv gesehen und beurteilt wird. Wenn der Name Jesus oder andere typische Wendungen für Sühne und Vergebung nicht genannt wurde, hat man damit das Evangelium schon verfälscht? Hat man das Evangelium verfälscht, wenn man danach strebt neue verbale und nonverbale Ausdrucksweisen zu finden, damit der Inhalt dem Menschen wieder zugänglich wird? Welcher Inhalt? Werte? Kreuz? Mir ist klar, dass ich hier ein Fass aufmache und man über jede einzelnen Gedanken oder Begriffe ganze Aufsätze schreiben könnte. Dennoch scheint mir das Thema sehr brisant zu sein in den uns umgebenden gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen. Denn ich glaube, dass der christliche Glaube die entscheidende Instanz für Orientierung und Veränderung ist. Daher ist es um so wichtiger, dass wir sprachfähig werden den Glauben im Hier und Jetzt zu kommunizieren. Dies ist zunehmend schwieriger, weil das Zielpublikum überwiegend keine Verbindung hat zu dem was wir denken, glauben und natürlich reden. Oft stelle ich fest, dass es als eine Selbstverständlichkeit angesehen wird, dass unsere Adressaten doch eigentlich MEHR verstehen sollten. Auch wenn wir das aktiv nicht so denken spricht die Art und Weise unserer Kommunikation genau diese Sprache. Von dem Hörer wird verlangt etwas Unbekanntes zu ergreifen und zu umarmen.


Es ist daher auch wichtig, dass es nicht um das bloße Vermitteln von Worten und Sprache geht, die wie in einem Lehrraum kognitiv erfasst und nachgearbeitet werden können/sollen. Die reine sprachliche Kommunikation mit der damit verbundenen Erwartung eines Verständnisses seitens der Zuhörer ist Vergangenheit. Wir leben in einer Welt in der die Menschen vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben und wir müssen neu lernen die Menschen mit unserem Anliegen in Berührung zu bringen. Wir brauchen Kreativität. Neue Formen, Ästhetik, Kunst und Poesie. Jeweils mit dem Bewusstsein und dem Ziel, die Menschen ein Stück näher zu bringen zu Christus.
Damit ist das Ziel definiert. Es geht nicht darum, die biblische Botschaft rein sprachlich zu kommunizieren, sondern darum, sie zu kontextualisieren, damit sie dem Menschen hilft sich auf Christus zuzubewegen und ihm näher zu kommen und um die Völker zu Jünger zu machen (Mt 28).
Kontext ist alles und ich wünsche mir, dass wir wie Jesus danach bestrebt sind dem Kontext entsprechend sprachfähig zu werden, durch Sensibilität, Kenntnis der entsprechenden Kultur und mit Kreativität. Nur so sind Wir und Das was wir zu sagen haben für die Menschen relevant.

Montag, 30. November 2015

N.T. Wright: What would it take for the Church...


"Mark calls the church to abandon its imperialistic dreams on the one hand, and its passive noninvolvement on the other, and to become for the world what Jesus was for the world (...) What would it take for the Church (...) to embrace this vision of following Jesus? I long to see Christians in this country standing up to the government on the issues of education, of the arms industry, of this World debt. I long to see the Church standing up to the radical opposition parties on issues like abortion. I long to see the Church lovingly but firmly confronting the media barons who destroy people`s lives and reputations for the sake of a sensational story. But it must be done in the right way. We live in a world of Jameses and Johns, of projected guilt and fear and anger. There`s no point in the Church simply keeping all of that in circulation. We don`t need any more Jameses and Johns, Christians who project their own insecurities out on the world and call it preaching the gospel. We need - and it`s a scary thought - Christians who will do for the world what Jesus was doing."  ~ N.T. Wright, Following Jesus, S.49f

Montag, 28. September 2015

Miteinander - Ein multikultureller Abend in Hemsbach

Was für ein genialer Abend. Fünf bis sechs verschiedene Kulturen. Menschen mit unterschiedlichen religiösen Prägungen und Lebensstilen. Der WakeUp Gottesdienst in Hemsbach zeichnet sich dadurch aus, dass sich hier jeder Zuhause fühlen darf. Hier durfte ich einen Vortrag halten zum Thema "Journey - Ein Leben voller Abenteuer!"


Hinter diesem Gottesdienst steht eine ganz intensive Arbeit. Durch die Woche hinweg gibt es verschiedene Angebote. Gemeinsames Fußballspielen, Kochen und ein Malatelie fördern Beziehungen zwischen Gemeinde und den Flüchtlingen. Teilnehmer erzählten mir von den Aktivitäten und von der Atmosphäre: "Das hier ist Familie." erzählte mir u.a. ein muslimischer Jugendlicher. Ich hatte Gänsehaut als ich diese Geschichten hörte. Integration wird hier gelebt. Freundschaften entstehen und Glaube wird geteilt. Eine integrative Gemeinschaft, die sich dadurch kennzeichnet. dass die Mission Gottes den Alltag gestaltet.

Quelle: http://www2.crcna.org/site_uploads/uploads/crhm/Network/Transformation%20happens.png


Die Menschen sind auf einer Reise. Egal welcher Mensch es ist. Egal welche Herkunft und welche Religion. Wichtig ist dass wir  gemeinsam unterwegs sind und dass wir über Christus nachdenken und näher zu ihm hin wachsen (Eph 4,15). 


Ich bin ermutigt, weil ich sehen und erleben durfte, dass es geht - dass Beziehungen entstehen können und wir keine Angst haben müssen. Ich habe gesehen, dass man mit kleinen Schritten großes erreichen kann. Wichtig ist, dass man beginnt und bereit ist in einen Dialog zu treten und mit Geduld miteinander lebt.

Donnerstag, 17. September 2015

Missionale Ausbildung - Bausteine für die Zukunft

Am Mittwoch den 16.09.2015 fand unser drittes LEAP Network Stakeholder1-Treffen im CVJM Karlsruhe statt. Mit insgesamt 7 Personen starteten wir diesen Tag, sprachen über die Entwicklung des LEAP Network, sowie über diverse Möglichkeiten in den nächsten Monaten und Jahren.

von Links: Ich (LEAP Network), Philipp Mertens (IGW), Björn Wagner (LEAP  Network),
Richard Moore (LEAP Network), Aleko Vangelis (Soul Devotion),
JT (FSJ`ler bei Soul Devotion), Reinhold Krebs (ejw, Fresh-X)

Wir nahmen uns viel Zeit um die Entwicklung des LEAP Network darzustellen, sowie die damit verbundenen Angebote für Gemeinden und Theologische Ausbildungsstätten. Wenn wir Gemeinden und Kirchen für das 21. Jahrhundert zurüsten wollen, müssen wir in zwei Richtungen investieren: Erstens in die Veränderung und Praxis der Lokalgemeinden und zweitens in die theologische Ausbildung von unseren zukünftigen hauptamtlichen Mitarbeitern. Dabei geht es bei unseren Angeboten im wesentlichen um Kreativität, Kommunikation, Kulturexegese und Persönlichkeitsentwicklung. Wichtige Bausteine für die Zukunft, wenn wir Menschen ausbilden wollen, die unsere Gemeinschaften in das 21. Jahrhundert begleiten sollen.
Ziel ist es neben den bisherigen akademischen Lehrplänen ergänzende Angebote bereit zu stellen, die diese Themen aufgreifen, fördern und in das Ausbildungsprogramm etablieren. Des Weiteren stellten wir Ideen für Onlineressourcen, weitere Fortbildungsmöglichkeiten (Ideenreise 2016) und Konferenzmöglichkeiten vor und besprachen dies untereinander.

Wir hörten von spannenden Prozessen und Angeboten aus den anderen Netzwerken (z.B. das NetworkXXL Camp). Fresh-X Deutschland ist auch sehr innovativ und geht nach vorne. Neue Projekte entstehen in Deutschland und weitere Fresh-X Kurse werden angeboten. Das IGW Frankfurt startet ihr Studienjahr mit ca. 18 Studierenden. An verschiedenen Stellen ist was in Bewegung.

Nun gilt es die Hausaufgaben zu machen und in die Tiefen und Details unserer Arbeit zu gehen. Wir sind dankbar für das Interesse was uns entgegengebracht wird, sowie für die große Offenheit und Bereitschaft Synergien zu erkennen und zu nutzen. Dies auf breiter Ebene zu sehen und mit zu erleben, weckt Sehnsucht und Hoffnung auf etwas Neues und Großartiges für unser Land und unsere Gemeinschaften.



1 Stakeholder sind Menschen die ein Interesse an dem Verlauf und dem Ergebnis eines Prozesses oder Projektes haben.

Mittwoch, 2. September 2015

Solidarität an vielen Orten - Ein Aufruf.

Die Solidarität mit den Armen und Unterdrückten ist im Wesen Gottes begründet: Gott spricht: "Ich habe das Elend (...) gesehen (...) ich habe ihr Leiden erkannt." (Exodus 3,7) und er ist ihnen begegnet, er hat in der Zeit der Unterdrückung an sie gedacht, denn er ist gütig (vgl. Psalm 136) und "(...) er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen." (Lukas 1).  - Menschsein in einer gebrochenen Welt zu sein beinhaltet die Solidarität mit den Armen weil jeder Mensch Gottes Ebenbild ist. Es gibt Meinungen, die besagen, dass der Fremde aktuell idealisiert wird. Der Gesellschaft wird mit unterschiedlichen Statements Angst gemacht. Doch die Anteilnahme an der Situation der Flüchtlinge und der damit verbundenen Solidarität ist biblische Sprache. Evangelium. Gute Nachricht. Und besonders die Kirche ist aufgefordert sich der Not der Armen anzunehmen (vgl. Psalm 41).

Ich wünsche mir, dass diese Solidarität Kreise zieht und prägend unsere Zukunft gestaltet.

Ich freue mich, dass an vielen Orten in Deutschland eine solche Solidarität zu sehen und zu erleben ist (z.B. in München die letzten Tage und vielen lokalen Projekten und Initiativen). Auch wir engagieren uns für Flüchtlinge. Und es ist kaum zu beschreiben, was in uns passiert, wenn man das dankbare Lachen dieser Menschen erlebt.

Ich freue mich, dass an vielen Orten in Deutschland Menschen sich überwinden, mit anpacken und einfach was beitragen. Jeder kann das tun. Jeder hat was zu geben. Sei es etwas kleines oder großes.

Ich freue mich, dass an vielen Orten in Deutschland, Menschen die bisher viel empfangen haben etwas von sich weggeben... Zeit, Kraft und Materielles. Und in diesem "Weggeben" erleben wir, dass es anscheinend etwas wichtigeres, erfüllenderes und wertvolleres gibt als das was wir meinen bereits zu besitzen.

Ich freue mich, dass an vielen Orten in Deutschland Menschen sich aufmachen, den Bedürftigen zu begegnen und dabei selbst zu erfahren und zu lernen, was es bedeutet wahrer Mensch in einer zerbrochenen Welt zu sein.

Dies soll unsere Zukunft sein. Mach mit.

Sonntag, 23. August 2015

Einwanderung in Deutschland: Lernende Gesellschaft, zukunftsfähige Gesellschaft?

Ich glaube jetzt ist die Zeit, dass wir uns als Gesellschaft als eine lernende Gesellschaft verstehen. Wir können nicht die Augen vor all dem Leid verschließen. Wir können nicht einfach zuschauen, wie andere ihre Verwandtschaft und ihr Zuhause verlieren, um den Tode ringen, flüchten, heimatlos sind und ihr Leben riskieren um eventuell lebend über das Wasser zu kommen. Wir können nicht einfach zu sehen und meinen, dass es wichtiger ist unseren eigenen Garten zu bebauen und zu bewahren, anstatt unser Hab und Gut mit anderen zu teilen. Wir müssen heute verstehen, dass es ausnahmsweise mal nicht um uns geht! Hinter all dem Leid stehen Menschen, Kinder, Familien. Menschen die das Leben ebenso verdient haben wie wir. Es geht ausnahmsweise mal nicht um uns, sondern um den Anderen, bzw. es geht in der ganzen Diskussion, in der ganzen Dramatik und den damit verbundenen Entwicklungen um die Menschheit und die Zukunft einer Gesellschaft die die Menschen in den Krisengebieten mit Werten, Wohlstand und Zukunft verbinden. Wir sollten uns geehrt fühlen, dass Menschen mit unserem Land positive Dinge verbinden die sie veranlassen diese riskanten Reisen über das Wasser zu riskieren und ich hoffe, dass wir ihnen auch diese Dinge vorleben, wenn sie in unserem Land ankommen. Ich möchte nicht über die Dinge schreiben, die zurecht bereits kritisiert und verurteilt werden (z.B. brennende Flüchtlingsheime, Demonstrationen wie in Freital und Hassäußeren in sozialen Medien). Ich bin an Lösungen interessiert, auch wenn ich noch nicht weiß wie diese aussehen.
Ich verschweige nicht, dass es es tatsächlich um eine große Zahl an Asylbewerber geht und dass dies politisch keine einfache Sache ist. Klar ist auch, dass Deutschland nicht alle aufnehmen kann und dass dies ein schwerer Prozess ist. Aber dennoch wird uns dieses Thema in den nächsten Jahren unmittelbar betreffen und wir können nicht so einfach davor weglaufen. Es wird Thema bleiben. Menschen werden nach Deutschland kommen und ich hoffe, dass wir in Zukunft dafür bekannt sind, wofür wir sind und nicht wogegen wir sind. "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Wir sind für das Leben und die Gleichberechtigung eines jeden Menschen. Ich möchte, dass wir dafür bekannt sind. Ich möchte, dass die Menschen die heute über das Meer fahren in einigen Jahren sagen:
Ich kam nach Deutschland und ich traf auf Menschen mit ausgebreiteten Armen!
Ich kam nach Deutschland fühlte mich angenommen und ich fand ein Zuhause!
Ich kam nach Deutschland und fand Trost und Hoffnung!

Wir können nicht darauf warten, dass die Politik heute DIE Lösung hat. Wir können nicht der Politik allein die Verantwortung geben. Diese Verantwortung muss geteilt werden und jeder Bürger dieses Landes ist Teil der Lösung.
Es ist ein unangenehmes Gefühl zu wissen, dass auch wir als Bürger ganz praktisch gefragt sind. Denn nun realisieren wir, dass wir nicht mehr nur für uns leben können, sondern dass wir unser Leben als Teil eines gesellschaftlich brisanten Thema denken müssen.

Eine lernende Gesellschaft

So oder so, müssen wir uns als eine lernende Gesellschaft in diesem Thema verstehen. Es ist eine Chance, dass wir unsere Werte nun leben und demonstrieren können wie wir selbst behandelt werden möchten, wenn wir in dieser Situation währen. Jede neue Herausforderung ist für eine Gesellschaft eine Chance zu lernen und sich so weiterzuentwickeln. Wenn es auch so aussieht, dass es am Anfang nicht um uns geht, geht es in diesen ganzen Entwicklungen doch auch irgendwie um uns. Es ist die Chance als Gesellschaft, als Menschheit, zu lernen was es bedeutet wahrer Mensch in einer zerbrochenen Welt zu sein. Wie Martin Buber sagte: "Der Mensch wird am Du zum Ich."
Anstatt wie kleine Kinder "Hausaufgaben" als "doof" und "belastend" zu deklarieren, sollten wir darin das Potenzial erkennen uns weiterzuentwickeln. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, um am Ende was Geniales zu erschaffen. Dies geht nur, wenn wir uns als Lernende verstehen, anstatt der Lehrerin erklären zu wollen warum man den Test versaut, oder der Hund die Hausaufgaben gefressen hat. Und all dies nur, weil es uns wichtiger war unser eigenes Interesse zu verfolgen?

Eine zukunftsfähige Gesellschaft

Nur wenn wir als eine lernende Gesellschaft den Herausforderungen des Heute begegnen, werden wir eine Gesellschaft sein, die gemeinsam die Zukunft gestalten kann, weil sie durch die Herausforderung über sich hinausgewachsen ist. Kinder lernen durch neue Herausforderungen. Sie eigenen sich neue Kompetenzen an. Menschen die das erste mal Leitungsfunktion in einem Unternehmen annehmen, werden durch diese neue Herausforderung darin wachsen und etwas außergewöhnliches leisten können. Ich glaube, dass eine lernende Gesellschaft in diesen Herausforderungen ebenso sich entwickeln und über sich hinauswachsen kann. Eine lernende Gesellschaft ist in der Lage was außergewöhnliches zu produzieren und kann somit ein Licht sein für alle anderen Gesellschaften die mit den gleichen Herausforderungen bereits ringen oder in naher Zukunft gleicherweise damit konfrontiert werden.

Ich glaube wir brauchen eine Bewegung, von Bürger und Bürgerinnen, die sich dadurch auszeichnet dass sie als Lernende praktisch Verantwortung übernehmen und durch kleine Schritte über sich hinaus wachsen und in diesem Land etwas Geniales erschaffen.



--> Du willst gleich damit anfangen? Kontaktiere den nächsten Helferkreis deiner Stadt und erkundige dich nach Möglichkeiten, wie du helfen und Teil von etwas genialem werden kannst.



Mittwoch, 12. August 2015

Wohin in der Pentateuchforschung?

Wie lesen wir die Texte des Alten Testaments? Mit welcher exegetischen Prämisse gehen wir an den Text heran? In den theologischen Fakultäten und Universitäten ist die historisch-kritische Methode seit langem wissenschaftlicher Standard. Besonders in der Pentateuchforschung ist u.a. durch J. Wellhausen, H. Gunkel, A. Alt und vielen anderen Theologen die Entstehungsgeschichte des Alten Testaments und die Religionsgeschichte Israels zur wesentlichen Disziplin geworden. Man beschäftigt sich mit der Herkunft der Texte, sowie ihrem "Sitz im Leben" in der Geschichte und Kultur Israels. Man versucht die einzelnen voneinander getrennten Textabschnitte zu identifizieren und den Quellen zuzuordnen. Aber in wie weit hat diese Methode für das Verständnis des Alten Testaments beigetragen? Hat diese Forschungsmethode für die Laien und deren Praxis die Texte relevant machen können? Thomas Römer schreibt in seinem Artikel Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen: Zum Stand der Pentateuchforschung (Erschienen in der ZAW 125 (2013): 2-24): "Hingegen ist der aktuelle Stand der Pentateuchforschung für Laien nur sehr schwierig und bedingt verständlich zu machen." (Römer 2013:3). 



Keine Frage, viele Erkenntnisse sind aus diesen Forschungen hervorgegangen, aber zurecht betont E. Zenger, dass der Graben zwischen wissenschaftlicher Arbeit der Theologischen Fakultäten und der Praxis überwunden werden muss. Denn das Auslegen der Biblischen Texte ist in andere Fachbereich der Theologie ausgewandert (Zenger 1982:355). Ohne weiter auf die Geschichte der Pentateuchforschung einzugehen, ihren Anfang, ihre Entwicklung, die verschiedenen Hypothesen (Urkunden-, Fragmenten- und Ergänzungshypothese) und unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Verteilung des Stoffen auf die Quellen darzustellen, soll vielmehr auf die heutige Herausforderung verwiesen sein. Thomas Römer schriebt: 
Es entsteht schnell der Eindruck eines wissenschaftlichen Chaos, in welchem unterschiedliche Prämissen, Methoden und literargeschichtliche Rekonstruktionen aufeinanderprallen, sodass die Frage nach einem neuen Konsens weiterhin negativ beantwortet werden muss.  RÖMER 2013:3
Es ist nicht verwunderlich, dass "kritische" Forscher die Theorie von J. Wellhausen verlassen und in Bezug auf die Textinterpretation völlig andere Wege gehen (Zenger 1982:254). Anstatt einen analytischen Ansatz anzuwenden ist in der Literaturwissenschaft mehr ein holistischer Ansatz zur Grundlage gemacht worden. J. Pedersen hat versucht darauf hinzuweisen, dass die hebräische Art und Weise "Geschichte zu Erzählen" ("Telling Stories") eine andere ist wie die unsere und deshalb in der Erforschung der Texte berücksichtigt werden muss. Mit R. Rendtorff, B. Childs, R. Alter und G. Fischer wurden seit den 70 `er Jahren der Fokus auf die vorliegende  Endgestalt gelegt. Der Text wie er uns vorliegt, wird als Ausgangspunkt der Textinterpretation gemacht (1938 hat G. von Rad darauf hingewiesen, dass bis dato die `Letztgestalt` nicht zum Ausgangspunkt gemacht wurde). Shimon Bar- Efrat hat auf die Besonderheiten von Erzählungen hingewiesen und dies in seinem philologisch-narratologischen Kommentar konsequent auf das Samuelbuch angewandt. Es gibt viele Beispiele von exegetischen Kommentaren, die auf dem literaturwissenschaftlichen Paradigma versuchen die Texte auszulegen und für die heutige Gegenwart anzuwenden. So versucht z.B. Utzschneider und Oswald in ihrem Kommentar zu Exodus 1-15 die Verbindung zwischen einer diachronen und synchronen Exegese herzustellen. G. Fischer und D. Markle gehen in ihrem Kommentar ebenfalls von dem Endtext aus. Zudem gibt es weitere Studien die sich mit dem Aufbau der Texte und ihrer Struktur auseinandersetzen. So sind konzentrische Strukturen (wie u.a. im Buch Ruth und Esther) ein wichtiger Hinweis auf die Intension des vorliegenden Buches. Anstatt also biblische Texte in kleinste Abschnitte zu zerteilen wird neuerdings wieder auf die vorliegende Gestalt verwiesen. Wenn wir ehrlich sind, hat die bisherige Erforschung des Pentateuchs keine wirklich zufrieden stellenden Antworten gefunden. Es scheint so als würde eine Theorie die andere jagen und mit immer wieder neuen Thesen versucht die Jagt aufrechtzuerhalten.

Ich denke, dass die Literaturwissenschaft (u.a. synchrone Lesart, philologisch-narratologische und kanonische Studien) ein wichtiger Schritt ist, um einen Ausweg aus dem wissenschaftlichen Chaos zu finden und um die Texte des Pentateuchs in Beziehung zur gegenwärtigen Realität zu setzen. 



Quellen (u.a.):

Zenger, Erich 1982. Auf der Suche nach einem Weg aus der Pentateuchkrise. In: Theologische Revue (78). Münster: Aschendorfsche.
Römer, Thomas 2013. Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen: Zum Stand der Pentateuchforschung. In: ZAW (125). 
Houtman, Cees 1994. Der Pentateuch: Die Geschichte seiner Erforschung neben einer Auswertung. Kampen: Pharos.
Pedersen, Johs. [1926] 1959. Israel: Its Life and Culture I-II. London: Oxford University. 
Pedersen, Johs. [1940] 1959. Israel: Its Life and Culture III-IV. London: Oxford University. 

Dienstag, 11. August 2015

Was können wir von der Befreiungstheologie lernen?


Im Gegensatz zu Synonymen wie "Erlösung", die von einer einseitigen spiritualistischen Auslegungsgeschichte belastet sind, ist der Begriff "Befreiung" heute eher dazu geeignet, die konkrete geschichtliche und gesellschaftliche Relevanz der biblischen Heilverheißungen zum Ausdruck zu bringen, ohne sie freilich auf rein innerweltliche Utopien einzuebnen.    KERN 2013:48f   

B. Kern weißt darauf hin, dass es im Ganzen nicht nur um eine intime Wirklichkeit, eine spirituelle Erlösung, geht. Die spirituelle Erlösung, die Vergebung der Sünden durch Jesus Christus und die neue Freiheit in der Wirklichkeit Gottes zu leben ist elementar im christlichen Glauben. Aber es währe fatal hier stehen zu bleiben. Einen cultus privatus prangerte J. Moltmann schon an und neuerdings G. Lohfink indem er kritisch den religiösen Individualismus in seinem Buch darstellt. Das Evangelium hat ebenso die Dimension konkrete Gestalt und Veränderung in unserer Gesellschaft zu bewirken, bzw. es geschieht durch die Mission Gottes. Die Frage ist, ob wir als Christen an diesem Geschehen teilhaben oder am Zeitgeist orientiert diese Kraft des Evangeliums nicht beachten.
Die Theologie der Befreiung (...) hat diese Dimension wiederentdeckt, weil sie sich von der Wirklichkeit berühren ließ.  KERN 2013:52
Die Theologie der Befreiung erwartet konkrete Veränderung im Hier und jetzt, besonders für die Unterdrückten und Armen. Nicht nur aus Mitleid, sondern aus der biblischen Überzeugung (vgl. Ex 2f; Neh 5,6; Jer 5,28; 22,16; Am 8,4)   heraus, dass Gott sich besonders den Armen annimmt und das imperiale System radikal kritisiert (diese Kritik kann in verbaler Form geschehen, sowie in der Gestalt der biblischen Texte und ihrer entsprechenden Erzählform (siehe u.a.  Shimon Bar-Efrat; Walter Brüggemann). Hier kommt aber noch eine wichtige Komponente hinzu. Es geht darum die Menschen zu verstehen, denn dies geschieht nach A. Pieris dadurch, wenn der Ort der Armen der bevorzugte Lernort ist (...)
(...) only the oppressed know and speak the language of liberation (...)      WROGEMANN 2013:292
Viele Ansichten von A. Pieris haben für mich deutliche Grenzen. Aber hier ist ein wichtiger Aspekt angesprochen. Weil das Evangelium auch unsere gesellschaftlichen Strukturen und Systeme kritisiert und verändern möchte, ist eine Solidarität mit den Armen mehr als nur Mitleid. Wer solidarisch für die Armen ist, ist herausgefordert seine Spiritualität und Lebenspraxis in diesem Horizont zu betrachten. Nicht nur das, sondern darüber hinaus bedeutet es als Christen das gegenwärtige System kritisch fragend zu betrachten und zugleich solidarisch mit den Armen und Benachteiligten ein Gegenmodell entgegenzustellen. In dem Sinne ist eine Solidarität mit den Armen mehr als nur Mitleid, sondern es ist Inkarnation.

Ich glaube, dass die Theologie der Befreiung wichtig Aspekte liefert die uns als christliche Gemeinden im wohlhabenden Europa helfen unsere Identität in unserem Kontext zu begreifen. Das hilft uns weiter zu verstehen, dass das was wir jetzt an Wohlstand noch erfahren nicht die Normalität ist. Zugleich kann die Befreiungstheologie in diesem Sinne, auch kein Wohlstandsevangelium befürworten, sondern fordert im Gegenteil die Solidarität mit den Armen und Benachteiligten. Alles andere ist das Produkt eines von der Moderne her geprägten Individualismus. Es gilt die Schere zwischen Arm und Reich zu beheben.



Quelle:

Kern, Bruno 2013. Theologie der Befreiung. Tübingen: A. Francke.

Wrogemann, Henning 2013. Missionstheologie der Gegenwart. Globale Entwicklungen, kontextuelle Profile und ökumenische Herausforderungen. Bd. 2. Gütersloh: Gütersloher.

Sonntag, 9. August 2015

Sich mit einer Willkommenskultur positionieren

Als Christen sollten wir eine Willkommenskultur in unserem Land, bzw. Europa, nicht nur gut heißen, sondern auch aktiv fördern. Das bedeutet, praktische Möglichkeiten zu bieten, wie Flüchtlingen das Gefühl des Willkommenseins erfahrbar zu machen und Chancen der Integration zu leisten. Integration auch durch berufliche Perspektiven ist ein Muss, wie ein Video des SWR zeigt:


Quelle: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/muellheim-arbeitssuche-als-fluechtling/-/id=1622/did=15956282/nid=1622/5gqw8x/index.html

Weil jedem Menschen die Gottes Ebenbildlichkeit zugesprochen wird, soll jeder Menschen auch als solcher behandelt werden (vgl. Zehnder 2005:292). Wie man den "Fremdling" im eigenen Land behandeln soll, zeigt schon Lev. 19:
Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott. (Lev. 19,33-36)
Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns vorstellen können was eine biblische "Willkommenskultur" wirklich für uns bedeutet. Das biblische Bild über den Fremdling, Armen und Unterdrückten spiegelt jedoch viel von Gottes Puls wieder. In dem es mit dem Liebesgebot und die Erinnerung an die Knechtschaft in Ägypten geknüpft ist, ist damit auch die Dinglichkeit und Opferbereitschaft dem Leser (Volk Gottes) ins Bewusstsein gerufen.


Als Volk Gottes bedeutet das der Ungerechtigkeit ("gesellschaftlichen Übel", vgl. Wink 2014:111) entgegen zu wirken, - eine Alternative auszuüben. Eine wirkliche Alternative wird jedoch eine Opferbereitschaft erfordern. Den Nächsten zu lieben, bringt hier eine Dimension ins Spiel die weit darüber hinaus geht als nur das "Nötigste" (Sprache, Arbeit, Wohnen) zu tun. Fremdlinge sollen sich "heimisch" fühlen. Hier spürt man die eigentliche Dimension von "Integration", wenn sie in diesem Kontext auch in der Verbindung zur Goldene Regel (Lk 6,31) verstanden wird, sowie dass man als Volk Gottes selbst in einem Fremden Land gelebt hat. Denn mit dem Exodus hat Israels Freiheit begonnen (vgl. Wink 2014:64).
Ich glaube, dass es sich hierbei um ein biblisches Prinzip handelt, auch wenn wir selbst nie in Ägypten gelebt oder selbst als Flüchtlinge unterwegs waren (allerdings gibt es noch eine Generation unter uns, die das kennt). Doch in der kompromisslosen Auseinandersetzung mit diesem Thema, werden wir automatisch auch mit uns selbst und den damit verbundenen (auch geistlichen) Herausforderungen konfrontiert (vgl. Wink 2014:111f). Es wird sich zeigen, ob wir als christliche Gemeinschaft eine alternative Gesellschaft leben durch die die Menschen "Gottes Freiheit" erfahren oder ob unsere Ängste uns überwältigen und lähmen werden.

Wo und wie werden wir uns positionieren?




Zehnder, Markus 2005. Umgang mit Fremden in Israel und Assyrien. In: Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und neuen Testament. Stuttgart: Kohlhammer.

Wink, Walter 2014. Verwandlung der Mächte: Eine Theologie der Gewaltfreiheit. Regensburg: Friedrich Pustet.

Freitag, 17. Juli 2015

Gott dienen - Eine einzigartige Chance!


Du stehst in den Startlöchern und wartest nur darauf für Gott voll durchzustarten? Du suchst die passende Gelegenheit dies mal zu tun? Dann habe ich hier die optimale Möglichkeit für dich. Diene Gott doch an dem Punkt wo du gerade stehst! 
Vielleicht bist du jetzt enttäuscht. Vielleicht hast du dir was anderes vorstellt, als du den Link zu meinem Blog angeklickt und geöffnet hast. Vielleicht hast du dir jetzt ein exotisches Abenteuer, eine Herausforderung oder das "Life-experience" schlechthin versprochen. Wenn wir aber mal in uns gehen und durch die Brille der Mission Gottes diesen Gedanken betrachten, ist das aber gar nicht so weit davon entfernt. 
Wir hatten schon oft Gespräche (und die Tage erst eine Telefonat), wo unser Gegenüber der Meinung war, dass ein "geistlicher" Beruf der Ort ist um Gott wirklich zu dienen. Die Berufe, die nicht unter dem geistlichen Deckmantel laufen, sind daher weniger "dienlich"? Gibt es Berufe die also mehr dafür geeignet sind, wenn ich mich entscheide Gott zu dienen?
Damit habe ich persönlich so meine Probleme. Wir folgen, wie mein Kollege Björn jetzt sagen würde, dem einen Gott in der einen Welt - also einem Gott der überall in dieser Welt bereits präsent und am handeln ist. Wir folgen einem Gott, der sich entschieden hat im profan zu sein, an Orten an denen wir es nicht meinen. Aber über die Zeit hinweg haben wir es geschafft, dass wir anscheinend irgendwelche Momente oder Situationen brauchen, um Gott besonders zu "spüren" oder zu erleben. Und dies gilt oft auch für unsere beruflichen Entscheidungen. Wie oft habe ich gehört: "Na als Hauptamtlicher kannst du Gott ja ganz anders und intensiver dienen, als die die einen normalen Beruft haben!" Gott ist in dem "Normalen", profanen, alltäglichen, langweiligen, "unchristlichen" und all zu oft stressigen Situationen unseres Lebens. Und es ist schwer zu glauben, dass Gott mit mir an diesen Orten etwas bewegen und verändern möchte.
Lieber fahren wir auf Kurzzeiteinsätze, evangelistische Aktionen oder irgendwelche Konferenzen, wo wir für den Plan Gottes motiviert werden und applaudieren, wenn wir hören dass Gott Neues Leben in unserer Zeit schenken möchte. Aber glauben wir, dass es an den Orten geschieht wo wir Tag für Tag unser Leben verbringen? Glauben wir, dass diese Veränderung in Europa, in Deutschland in meiner Stadt dort beginnt, wo ich bewusst in der Mission Gottes und unter seiner Herrschaft lebe und agiere? Warum brauchen wir diese Kicks? Diese Highlights? Und warum fällt es uns so sehr schwer unseren Alltag zu "heiligen" ihm zu geben und zu glauben, dass dieser Alltag Gottes missionales Spielfeld ist?
Es ist nicht grundsätzlich etwas falsch an diesen Aktionen. Es darf auch Highlights in unserem Leben geben. Manchmal schenkt uns Gott diese auch, damit wir uns daran erinnern. Schwierig ist es nur, wenn sie ein Ersatz werden und ein dualistisches Verständnis verursachen. Es ist enorm wichtig zu wissen, dass Gottes Mission und die erwartete Veränderung im Hier und Jetzt stattfindet. In meinem ganz "normalen" Alltag und gewöhnlichen Leben. In meiner Nachbarschaft, meinem Beruf, meinem Engagement in Vereinen, meinem Urlaub und beim Abfeiern bei der Abifete. Es gibt kein Ort an dem Gott nicht wäre. Es gibt kein Ort, wo die Mission Gottes nicht etwas bewegen will. Es gibt kein Ort, wo mir dieses Abenteuer nicht begegnet.
Dies erinnert mich an meine Anfänge mit Jesus als ich bei den JesusFreaks war. Ob in der Diskothek, im McDonalds, in der Werkstatt in der ich gelernt habe oder beim Abhängen mit meinen Schulkollegen - wir versuchten die Wirklichkeit in der wir lebten mit Gott in Verbindung zu bringen und fragten uns: "Mal sehen was Gott heute/hier vorhat!" Nicht immer gab es eine Antwort, aber öfters die Erfahrung: Gott ist schon da und er ist am handeln.
Du suchst dieses Abenteuer? Eine Herausforderung? Du willst Gott mal so richtig dienen? Dann leg doch los - es (er) hat schon längst begonnen!

Freitag, 10. Juli 2015

Exkarnation vs. Inkarnation - Glaube mitten im Leben

Vor einiger Zeit habe ich mir das Buch von Gerhard Lohfink "Wie hat Jesus Gemeinde gewollt? Kirche im Kontrast" gekauft, indem er fragt, ob die christlichen Gemeinden wirklich Orte sind, an denen eine alternative Gesellschaftsgestalt sichtbar wird (Lohfink 2015:39). Damit fordert er die Gemeinde von heute stark heraus und verweist auf die Problematik des religiösen Individualismus. Ähnlich sprach schon Moltmann in seiner Theologie der Hoffnung von einem cultus privatus (Moltmann 1965:286). Moltmann schreibt:
Aus "Religion" wird im Laufe des 19. Jahrhunderts die Religiösität des Individuum, Privatheit, Innerlichkeit, Erbaulichkeit.  MOLTMANN 1965:286
In einer Welt die immer schnelllebiger, komplexer und herausfordernder wird, scheint sich die Lage zugespitzt zu haben. Wir sind froh, wenn uns neben allen beruflichen und privaten Terminen der Gottesdienst als Ruhepohl noch bleibt. Kontakte zu Nachbarn, Kollegen, zu dem in sein Buch vertieften Mann im Zug, den Flüchtlingen in der Stadt und anderen Menschen in unserem Umfeld sind schier unmöglich. 
Frost beschreibt in seinem Buch "Incarnate" dieses Phänomen als Exkarnation und stellt es dem biblischen Bild der Inkarnation gegenüber. Gott kommt in Jesus in diese Welt und wird Mensch (Inkarnation = Menschwerdung) und taucht in diese Kultur ein (Joh 1,14), wird Teil eines Dorfes und die Menschen kennen ihn (Mt 13,55). Er wird als Fresser und Säufer bezeichnet (Mt 11,19) und hat Gemeinschaft mit den Sündern (Mk 2,15). Exkarnation hingegen beschreibt neben der allgemein immer mehr zunehmenden Distanz des Menschen vom Anderen, den geistlichen Dualismus von Spiritualität - Welt. Frost schreibt: "Dualism is the philosophical foundation of excarnation." Spiritualität bezieht sich auf meine persönliche Beziehung zu Gott und die Welt in der wir Leben. Sie ist vergänglich, so dass eine Trennung zwischen Spiritualität und Welt entsteht. Exkarnation beschreibt die Loslösung und Entkörperung (out-of-body) des christlichen Glaubens aus der Welt in der wir leben. Dabei hat der Glaube mit der realen Welt mehr zu tun als wir glauben. Im jüdischen Denken existiert nicht solch ein Dualismus. Der Alltag wurde geheiligt und alle Dinge gehörten im jüdischen Verständnis unter die Herrschaft Gottes. Dieses jüdische Verständnis ist essenziell für unser Verständnis von Spiritualität und der Bedeutung des Volkes Gottes in dieser Welt, welches bis ins Neue Testament grundlegend ist.
(...) but we need to bear in mind the purpose for which the New Testament was written: to equip us to continue the apostolic witness that brought us into being as the church of Jesus. In that respect, devotional study is good insofar as it deepens our connection to Jesus, but it is an incomplete study of God`s Word if it does`t produce greater faithfulness and service in the real world.  FROST 2014:198
Sind unsere Gemeinden ein Ort an denen eine alternative Gesellschaftsgestalt sichtbar wird? Verstehen wir die Schrift als die Antwort Gottes, wie sich die Mission Gottes ausbreitet - sprich - wie Gott seine Geschichte weiterschreibt und für diesen Plan seine Gemeinde zurüstet, müssen wir unser Leben und unseren Glauben auch im Kontext der Mission Gottes verstehen, wodurch dieser im Hier und Jetzt erfahrbar wird und Gestalt annimmt.
Möchte ich bewusst leben, indem ich mir Zeit nehme meinem Gegenüber zu begegnen, eine Chipspackung zu essen und über Gott und die Welt zu reden? Ich denke es ist unsere Aufgabe als Gemeinde, die Nöte und den Bedarf unserer Städte zu kennen und das Leben unseres Umfeldes mitzugestalten und Räume zu schaffen in denen die Menschen eine alternative Gesellschaftsgestalt erfahren und von der Liebe Gottes hören. Die Flüchtlingsproblematik in Deutschland ist ein Beispiel, wo Gottes Volk eine alternative vorleben und so Licht und Salz im Hier und Jetzt sein kann. Anstatt zu bewahren was man hat und vor Angst der Überforderung sich der Welt zu "entziehen" (Exkarnation) sollte das Volk Gottes aktiv und in ihrem Maß Wege suchen, die Welt zu gestalten und in die Kultur einzutauchen (Inkarnation). Wir brauchen Mut und die Bereitschaft die Hoffnung an die wir glauben mitten in dieser Welt Ausdruck zu verleihen.
What ever you think you can do or believe you can do, begin it. Action has magic, grace and power in it.  FROST 2014:73



Frost, Michael 2014. Incarnate. the body of Christ in an age of disengagement. Illinois: IVP
Moltmann, Jürgen 1965. Theologie der Hoffnung. München: Kaiser.
Lohfink, Gerhard 2015. Wie hat Jesus Gemeinde gewollt? Kirche im Kontrast. Stuttgart: kbw



Dienstag, 23. Juni 2015

Flüchtlinge in Deutschland und Gemeinden die über sich hinaus wachsen

Die Zuwanderung von Flüchtlingen wird zu einem immer brisanteren Thema in Deutschland und immer mehr Menschen müssen von der Bundesrepublik in Erstaufnahmestellen untergebracht werden. Deutschland wird mit der Not der Welt konfrontiert, nicht nur über die Medien, sondern direkt in der Nachbarschaft, vor unserer Haustür.
Ich war am vergangenen Wochenende eingeladen in einer Baptistengemeinde zu predigen und ich war nach dem Gottesdienst erstaunt als ich hörte, wie viel die Gemeinde sich mit dem Flüchtlingsthema beschäftigt. Aber nicht nur theoretisch, sie sind die einzigste Kirche die sich aktiv beteiligen. Helfen, begleiten und diesen Menschen ein zuhause geben. Und dies waren nicht nur Worte. Ich konnte es an ihrem Zusammenleben spüren und erleben. Die Gemeinde in der ich mich befand, war eine integrative Gemeinde. Eine Gemeinschaft in der die Menschen erst mal dazugehören dürfen und mit der Weile Veränderung erfahren in ihrem Verhalten und in ihren Herausforderungen im Alltag. Einige von ihnen kommen zum lebendigen Glauben an Jesus. Alle sind gemeinsam auf einer Reise. Entscheidend für sie ist die gemeinsame Richtung, die Richtung die sich auf das Ziel zubewegt - Jesus.
Der Pastor der Gemeinde sagte: "Wir müssen aufhören darauf zu warten dass die Menschen zu uns kommen. Denn dies ist unsere Aufgabe. Wir müssen gehen und solche Gemeinschaften schaffen wo die Menschen erst mal ankommen dürfen."
Die Arbeit unter Flüchtlingen ist sicher einer der Bereiche der die Gemeinde in Bewegung versetzt hat. Menschen die alles verloren haben brauchen ein zuhause. Ihr eigenes Zuhause. Zu ihnen zu gehen, mit ihnen zu leben und mit ihnen eine neue Heimat aufzubauen ist Aufgabe der Gemeinde. Wir sollten zu ihnen gehen.
Viele Gemeinden in dieser Region sind mit sich selbst beschäftigt, schrumpfen, werden geschlossen oder fusionieren. Und man hat den Eindruck, dass Gemeinden die "über sich hinaus" wachsen wirklich zu einer Bewegung werden. Vielleicht zwingt uns das Thema der Flüchtlinge dazu, dass wir über uns hinaus wachsen, in Bewegung kommen und unsere ursprüngliche DNA, die in der Mission Gottes begründet liegt, wiederentdecken und vielleicht werden wir dabei sogar von uns selbst gerettet, weil wir hier hautnah erleben, dass Gemeinde in Bewegung kommen muss, wenn sie diesen Menschen begegnen will und ihre Aufgabe als Licht in der Welt wahrnehmen möchte. Wir müssen in Bewegung kommen wenn wir entdecken wollen was es bedeutet Gottes Volk in einer Welt zu sein in der die Not der Welt vor unserer Haustür wartet, aber niemand sich für die Kirche interessiert. Wir müssen von uns selbst gerettet werden, damit wir über uns hinaus wachsen!

Sonntag, 17. Mai 2015

Evangelisation und seine neue Herausforderung: Sie haben vergessen,dass sie Gott vergessen haben

Wenn wir uns im 21. Jahrhundert über das Thema Evangelisation Gedanken machen, stehen wir vor großen Herausforderungen. Eine der Herausforderungen ist sicherlich die Feststellung der "erfolgreichen" Evangelisationsveranstaltungen im zweiten drittel des 20. Jahrhunderts und der zunehmenden Frage, wie Menschen heute zum Glauben kommen (bzw. wie wir sie erreichen), wenn attraktionale Veranstaltungen nicht die Antwort sind auf die missionarischen Herausforderungen unserer Zeit.
Ich glaube, dass die Auseinandersetzung uns tiefer führt als bloße methodische Überlegungen wie wir durch konzeptionelle Programme die Menschen erreichen. Ich glaube die Beschäftigung mit diesem Thema führt uns in tiefere Bereiche der christlichen Spiritualität und kirchlicher Praxis.
Im Laufe meiner Studien bzgl. meiner Dissertation (Mth) bin ich über ein Buch gestolpert, wo es um das kulturelle Gedächtnis von frühen Hochkulturen geht. Jan Assmann verweist in seinen Vorüberlegungen auf den französischen Soziologen Maurice Halbwachs:
"Gedächtnis wächst dem Menschen erst im Prozeß seiner Sozialisation zu. Es ist zwar immer nur der Einzelne, der Gedächtnis "hat", aber dieses Gedächtnis ist kollektiv geprägt. Daher ist die Rede vom "kollektiven Gedächtnis" nicht metaphorisch zu verstehen. Zwar "haben" Kollektive kein Gedächtnis, aber sie bestimmen das Gedächtnis ihrer Glieder. Erinnerungen auch persönlicher Art entstehen nur durch Kommunikation und Interaktion im Rahmen sozialer Gruppen. Wir erinnern nicht nur, was wir von anderen erfahren, sondern auch, was andere uns erzählen und was uns von anderen als bedeutsam  bestätigt und zurückgespiegelt wird. Vor allem erleben wir bereits im Hinblick auf andere, im Kontext sozial vorgegebener Rahmen der Bedeutsamkeit. Denn "`es gibt keine Erinnerung ohne Wahrnehmung`" (1985 a, 365) (...) Wenn ein Mensch - und eine Gesellschaft - nur das zu erinnern imstande ist, was als Vergangenheit innerhalb der Bezugsrahmen einer jeweiligen Gegenwart rekonstruierbar ist, dann wird genau das vergessen, was in einer solchen Gegenwart keinen Bezugsrahmen mehr hat." (Assmann 2007:36)
Wir reden heute von einer pluralistischen Gesellschaft, unterschiedlichen sozialen Gruppen die, nach Hempelmann, in weitgehend voneinander separierten Lebenswelten existieren (Hempelmann 2012:40) und dass die Kirche nicht mehr das Monopol dieser Gesellschaft ist. Für viele Menschen bedeutet das, dass der christliche Glaube und die Kirche durch soziologische und historische Entwicklung nicht mehr zu ihren Lebensentwürfen gehört, geschweige denn ein Teil der Liste für mögliche Optionen für ihr Leben ist. Dabei gehe ich nicht von einer bewussten Ablehnung aus, sondern viel mehr von der neuen Gegebenheit, dass die Menschen vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben, was die missionarische Herausforderung auf ein nächstes Level schiebt.
In kann mich noch gut an meine Teenagerzeit erinnern, bevor ich überhaupt irgendwie in Kontakt mit dem christlichen Glauben kam. Gott, Kirche, Gebet war zu keiner Zeit ein Thema in meinem Leben. Darunter konnte ich mir nichts vorstellen, bzw. habe ich mir auch nichts vorgestellt, weil ich schlicht und ergreifend keinen sozialen Bezugsrahmen hatte. An was hätte ich mich denn erinnern sollen?
"Das Gedächtnis lebt und erhält sich in der Kommunikation; bricht diese ab, bzw. verschwinden oder ändern sich die Bezugsrahmen der kommunizierten Wirklichkeit, ist Vergessen die Folge." (Assmann 2007:37)
Meine Geschichte liegt ca. 16 Jahre zurück. Wie steht es um die Generationen und unterschiedlichen Kulturen heute, wo die Kirche mehr und mehr eine eigenen Subkultur bildet und der christliche Glaube für die meisten Menschen unseres Landes nicht mal Ansatzweise im Gedächtnis ist?
Die Aufgabe der Kirche ist es, den christlichen Glauben und die ganze Schönheit des Evangeliums in das Leben der Menschen zu bringen. Es geht darum Bezugsrahmen zu schaffen, in denen die christliche Story neu erzählt und für die Kultur in der wir leben kommuniziert werden muss. Anstatt unsere Position am Rand der Gesellschaft zu akzeptieren und einen religiösen Individualismus (Lohfink 2015:14) zu pflegen besteht die Herausforderung nach Michael Frost darin:
"(...) to learn ways to bodily embrace this task, to physically wade into the brokenness of humankind and alert people to the universal reign of God through Christ." (Frost 2014:88) 
Lasst uns mutig sein Neues zu wagen, soziale Räume und alternative Gemeinschaften zu schaffen in denen Kommunikation und Interaktion stattfinden. Erfahrungen, Reflexionen und das Erleben des Evangeliums - gehört in den öffentlichen Raum. Lasst uns mit gestalten und uns nicht verstecken, sondern mutig daran glauben, dass Gott mit seiner Mission unserem Land wieder Leben einhauchen möchte durch Christus der uns gelehrt hat, was es bedeutet wahrer Mensch in einer zerbrochenen Welt zu sein.
Ich träume von einer Kirche die den christlichen Glauben verkörpert (inkarniert) nicht in einem Gebäude, sondern unter und mit den Menschen, anstatt ihn zu privatisieren (exkarnieren). Denken wir über die Evangelisierung unseres Landes (und darüber hinaus Europa) nach, müssen wir beginnen den Menschen wieder einen Bezugsrahmen zu schaffen der es ermöglicht die christliche Story zu pflanzen.
Ich bin meinem Jugendreferenten von vor 16 Jahren sowie allen Teilnehmern der damaligen Zeit dankbar, dass ich eine solche alternative Gemeinschaft erleben konnte, wo ich einen Bezugsrahmen hatte in dem ich die Schönheit des Evangeliums erlebte und die ganze Sache mit Bibel, Kirche und Gott dann doch irgendwann Sinn für mein Leben machte.

(...) dem Gott, der allein weise ist, sei Ehre durch Jesus Christus in Ewigkeit! Amen. (Römer 16,27)


"(...) teach the world a new way to be human." (Frost 2014:62)



Quellen: Assman, Jan 2007. Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. Mücken: C.H. Beck.

Hempelmann, Heinzpeter 2012. Gott im Milieu. Gießen: Brunnen.

Lohfink, Gerhand 2015. Wie hat Jesus Gemeinde gewollt? Kirche im Kontrast. Stuttgart: kbw.

Samstag, 14. März 2015

Missionale Praktiken kultivieren

Die Auswahl der Geräte, der richtigen Abläufe und Handgriffe müssen bei einem Feuerwehreinsatz exakt passen. Damit das in einem echten Einsatz auch wirklich funktioniert, gibt es in der freiwilligen Feuerwehr regelmäßige Übungsabende und zum Teil auch nachgestellte Einsätze. Letzten Donnerstag haben wir (ich bin Teil der freiwilligen Feuerwehr unseres Dorfes) eine Übung gemacht, in der es darum ging die Grundschule zu löschen. Ich bin noch nicht so lange dabei und bin auch gerade erst in meiner Grundausbildung, aber es ist wichtig Teil dieser Übungen zu sein und zu lernen zur richtigen Zeit das richtige zu tun. Das ist gar nicht so einfach. Es ist wichtig, dass der Angriffs-, Wasser-, und Schlauchtrupp genau weis, was er bei einem richtigen Einsatz machen muss. Daher reicht es nicht das richtige in der Theorie gelernt zu haben, sondern das Gelernte im Einsatz abrufen zu können. Mehr noch: Es muss automatisch funktionieren. Jede Handlung muss in Fleisch und Blut übergehen.

Ich erinnerte mich an das Buch von N.T. Wright (Glaube und dann...? Von der Transformation des Charakters), in dem er die biblische Vorstellung beschreibt, dass christliche Praktiken zu einer Art zweiten Natur im Leben eines Gläubigen werden. Auch hier geht es nicht darum, bloß zu wissen was in der Bibel steht, oder die richtigen Formeln zur richtigen Zeit sagen zu können. Es geht um die Transformation des Charakters, des Lebensstils und darum was es bedeutet wahrer Mensch zu sein. Wenn Jesus in die Nachfolge ruft, geht es um das Verlernen von alten Gewohnheiten und das Erlernen von neuen Gewohnheiten (vgl. Eph 4,22), wie sie Jesus uns gelehrt hat.
In der Feuerwehr gibt es erfahrene Kammeraden, die schon länger in der Feuerwehr sind und die Handgriffe und Handlungen besser kennen und praktizieren als ich. Ich orientiere mich an ihnen und lernen von ihnen. Neben der Grundausbildung gibt es regelmäßige Übungs- und Schulungsabende und die Kameradschaft wird durch Gemeinschaftsabende gefördert. Denn die Kameradschaft ist wichtig für ein Team, dass im Ernstfall füreinander da sein muss.

Junge Christen brauchen diese Vorbilder und Plattformen, wo sie erleben können was es bedeutet Jesus nachzufolgen. Sie brauchen Vorbilder (2.Tim 1,13) die ihnen erklären und zeigen wie sie in dieser Welt einen Unterschied machen können. Wir brauchen neue Formate, Plattformen und den Mut dies alles über den Sonntagsgottesdienst hinaus gezielt zu fördern. Wir müssen lernen missionale Praktiken und das Evangelium, wie eine Art zweite Natur, in dieser Welt zu leben und zu verkündigen. Dort wo wir leben, arbeiten, spielen und uns engagieren.

Mittwoch, 18. Februar 2015

Nehemia 5 für christliche Leiter

Vor einiger Zeit habe ich angefangen das Buch Nehemia zu lesen. Seit dem beschäftigt mich diese sehr inspirierende und starke Erzählung des Alten Testaments. Nehemia leidet unter der Tatsache, dass die Stadtmauer Jerusalems noch nicht wiedererrichtet wurde (Neh. 1,4) und er macht es sich zur Aufgabe mit dem Volk die Mauer wieder aufzubauen (2,17).
Christliche Leiter engagieren sich darin das Reich Gottes in den unterschiedlichsten Bereichen zu bauen. Ob in der Gemeinde oder in anderen Organisationen. Es ist ihr Anliegen, dass der christliche Glaube Gestalt bekommt und Einfluss in unsere Kultur gewinnt, besonders in Zeiten wo die Kirche nicht mehr das zu sein scheint was sie mal war. Es ist ermutigend zu sehen, dass es Leiter gibt die dies erkennen und mit Herzblut sich in Gemeinden und Organisationen engagieren. Leiterschaft hat daher eine wichtige Funktion, in der man aber auch ganz schnell in eine Schieflage geraten kann. Daher können wir viel von dem Vorbild Nehemias lernen.

Das Geschrei der Menschen über die Ungerechtigkeit
Der Schwerpunkt dieses Posts ist das Kapitel 5 der vorliegenden Erzählung. Es berichtet davon, dass sich innerhalb des jüdischen Volkes "Ungerechtigkeit" breit gemacht hat. Einige der jüdischen Bürger mussten ihre Kinder an andere verpfänden, um Nahrung kaufen zu können (5,2), andere mussten Geld aufnehmen um ihre Steuern für den König zahlen zu können (5,4) und ihnen waren die Hände gebunden: "(...) und wir können nichts dagegen tun (...)" (5,5). Auffällig ist in Vers 6 die Formulierung "Als ich aber ihr Schreien (...) hörte". Die Ähnlichkeit zu Ex 3,7 ist gegeben: "Ich habe das Elend meines Volkes (...) und ihr Geschrei gehört". An beiden stellen befindet sich das selbe hebräische Wort (אֶת־זַֽעֲקָתָ֔ם).  Beide Texte berichten von ungerechten Zuständen in ihrer Situationen so dass im Leser die Erwartung für eine Wendung geweckt wird. Walter Brueggemann schreibt:
"The grieving of Israel (...) is the beginning of criticism."  BRUEGGEMANN 2001:12
So auch hier in diesem Text. Das Schreien der jüdischen Bürger ruft die Erwartung eines Wandels im Leser hervor und bestimmt den weiteren Verlauf des Textes, der darauf nun eine Antwort zu geben versucht.

Frage: Nehmen wir als Leiter die Ungerechtigkeit (auch in unseren eigenen Gemeinden und Organisationen) wahr?

Nehemia geht in sich
Leiter haben ihre eigene Geschichte und Prägung. Leiter sollten nicht nach eigenem Ermessen Entscheidungen fällen, sondern sie nach dem Willen Gottes treffen. Nehemia ist ein Vorbild, weil er gründlich bei sich selbst über die Situation nachdachte (5,7. "Und ich hielt Rat mit mir selbst"). Das Herz ist in der Bibel der Sitz von Zuneigung und Leidenschaft, Weisheit und Verstand. So wird von Salomo berichtet, dass er "(...) ein weises und verständiges Herz (...)" bekam. Der Psalmist betet: "Prüfe mich, HERR, und erprobe mich, erforsche meine Nieren und mein Herz." (Ps 26,2; vgl 86,11) Das Herz ist der Sitz weiser Entscheidungen, die nicht nach menschlichen subjektiven Meinungen getroffen werden, sondern aus einer tiefen Gottesbeziehung und Gottesfurcht (vgl. Neh 5,15) heraus entstehen. Der daraus folgende Satz bringt für den Leser die Entscheidende Wendung. Nehemia setzt sich für die Gerechtigkeit ein und stellt die "Vornehmen" und "Ratsherren" zur Rede.

Frage: Wir brauchen als Leiter das Bewusstsein, bei Herausforderungen in uns zu gehen um weise Entscheidungen zu treffen. Haben wir den Mut den Willen Gottes zu tun, wenn wir fühlen es ist das Richtige?

Nehemia`s Kontrastmodell: Ein alternativer Führungsstil
Der für mich erstaunlichste Teil dieser Erzählung ist, wie Nehemia selbst seine Statthalterschaft lebt. In V.14 steht, dass er auf seine Einkünfte als Statthalter verzichtete und zwar nicht nur aus Solidarität. Er demonstrierte, aus der Furcht Gottes heraus, eine Alternative zu dem, was das Volk zuvor unter den anderen Statthaltern erlebt hatte (V.15):
"Denn die früheren Statthalter, die vor mir gewesen waren, hatten das Volk belastet und hatten für Brot und Wein täglich vierzig Silberstücke von ihnen genommen; auch ihre Leute waren gewalttätig mit dem Volk umgegangen."
Weiter lesen wir von Nehemia, dass er selbst an der Mauer mitarbeitete ohne die Einkünfte eines Statthalters zu verlangen, denn "(...) der Dienst lag schon schwer genug auf dem Volk." (V.18)
Ein Leiter leitet nicht um seiner selbst willen, sondern zum Wohl des Volkes und zur Ehre Gottes. Bei Leiterschaft geht es nicht um Macht, Reichtum oder eigener Ehre. Bei Leiterschaft geht es um Dienst, Nächstenliebe, Opferbereitschaft und der Entäußerung seiner selbst (vgl. Phil 2). Jesus sagt:
"Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener." (Lukas 22,25)
Leiter fragen nicht danach, was ihnen dient oder was ihnen zusteht (dies gilt auf für materielle und finanzielle Belange)! Leiter suchen und fragen nach den Situationen in denen sie Diener sein können, zum Wohl derer denen sie vorstehen und zum Bau des Reiches Gottes.

Frage: Denke über Bereiche deines Lebens nach. Für welche Bereiche deines Lebens ist das Beispiel Nehemias eine Herausforderung?

Transformation ohne Gegenmodell???
Missstände gab es immer wieder in der Geschichte und beim Volk Israel selbst. Die Erzählung beschreibt, wie Missstände im Volk Israel kritisiert und verändert werden. In dieser Erzählung sind biblische Parallelen erkennbar, u.a. zur Exoduserzählung. Nach dem Exodus schafft Gott neue Ordnungen für sein Volk und ruft es als eine alternative Gemeinschaft (Kontrastgesellschaft) zusammen (wo keine Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung herrschen soll) und erinnert sie daran, dass sie anders leben sollen als die umliegenden Mächte: "Ihr sollt nicht tun nach der Weise des Landes Ägypten." (Lev 18,3).
In einer Welt, wo Hierarchie, Macht und Materialismus vorherrschend sind und dies meist auf Kosten anderer (meistens Schwächere) geht, sind christliche Leiter dazu aufgerufen anders zu leben,- anders zu leiten. Es ist ein sich absagen von Macht, Positionen, Ruhm und extremen Materialismus. Wer von Jesus gerufen wurde: "Komm, folge mir nach!" ist aufgerufen von Jesus zu lernen, der uns ein Beispiel gab Leiterschaft in dieser Welt neu zu buchstabieren um auf diese Weise durch ein alternatives Leiterschaftsmodell unser Umfeld zu verändern (transformieren).

Doch eventuell wird es uns was kosten. Was? Das musst du selbst entscheiden ;-)




Brueggemann, Walter 2001. The Prophetic Imagination. Minneapolis: Fortress.

Freitag, 9. Januar 2015

Theologie der Genügsamkeit Teil 3: Man mag nicht hören, dass die Party vorbei ist

"Wenn`s am schönsten wird, soll man aufhören!". Diesen Satz hörte ich als Kind und als Jugendlicher zur Genüge von meiner Mutter u.a. wenn eine Fernsehsendung zu Ende ging oder ein Urlaub sich dem Ende neigte. Heute gilt es für mich zudem, wenn auf dem Grill das Fleisch weniger wird. "Wenn`s am schönsten wird, soll man aufhören!" früher hat es mich gestört, heute entdecke ich den tieferen Sinn dahinter. Genügsam sein! Zufrieden sein mit dem was man (positiv erlebt) hat. Doch die Konsumgesellschaft fördert gezielt unser Verlangen nach MEHR, u.a. dadurch dass ein Produkt das wir erworben haben uns auch eines Tages enttäuschen wird, aber nicht so sehr, dass wir so enttäuscht sind, dass wir uns kein neues kaufen wollen. Im Gegenteil! Wir kaufen etwas Neues um so der Enttäuschung entgegen zu steuern. Denn niemand mag hören, dass die Party vorbei ist! Niemand mag hören, dass es mal genug ist. Dass es "ok" ist! Weder unsere Gesellschaft die auf Wachstum angelegt ist, noch wir persönlich. Die Frage ist, wie wollen wir leben? Wie stellen wir uns das Leben in der Zukunft vor?
Der Autor des Hebräerbriefes, kennt die Problematik offensichtlich auch und findet treffende Worte:
"Hängt euer Herz nicht ans Geld und begnügt euch mit dem, was ihr habt. Denn Gott hat gesagt: Ich werde dich nie verlassen und dich nicht im Stich lassen." (Hebr. 13,5)
Hinter all dem konsumieren steckt schlicht und ergreifend das Verlangen nach mehr. Eine Sehnsucht des "Erlebens". Der Mensch ist auf der Suche. Auf der Suche nach dem ultimativen Kick, der Sicherheit und dem nie endenden Gefühl eines erfüllten Lebens. Und doch findet er es nicht. Gott gibt uns was wir brauchen und von ihm her sind wir erst in der Lage ein genügsames Leben zu leben.
Können wir in einer Gesellschaft in der die Wirtschaft immer auf Wachstum angelegt ist eine alternative leben, bzw. eine Reduktion des Konsumierens praktizieren?

Eigentlich wissen wir ja von dem Problem und eigentlich wollen wir ja anders leben, bzw. stellen uns das Leben anders vor. Das bloße Wissen jedoch hat keine Auswirkung darauf wie man lebt und handelt. Wir brauchen den Mut es zu tun. Haben wir eine Vorstellung davon, wie die Zukunft aussehen kann und wie wir zukünftig leben wollen? Wir müssen das leben, wovon wir träumen!

Wer weiter darüber nachdenken möchte, dem empfehle ich folgende Sendung des NDR: